Boost your content! – Reise in die Zukunft der digitalen Contentaufbereitung und innovativer Medienangebote
Für Fachverlage ergeben sich durch die Digitalisierung ganz neue Möglichkeiten bei der Gestaltung innovativer Medienangebote. Doch werden diese Möglichkeiten von vielen noch lange nicht so genutzt, wie es durch ein intelligentes Content-Management und kreative Produktgestaltung möglich wäre. Zu oft werden Inhalte weiterhin printrorientiert aufbereitet, selbst bei vermeintlich „medienneutraler“ Strukturierung.
Diese sechsteilige Gesprächsreihe möchte unter dem Motto „Boost your Content“ Fachmedienanbieter dabei unterstützen, mehr aus ihren wertvollen Inhalten zu machen. Jedes Webinar zeigt anhand von Praxisbeispielen, wie die Anreicherung und multimediale Verwertung von Inhalten konkret umgesetzt werden kann. Die Reise in die Zukunft der Contentaufbereitung beginnt bei den Grundlagen der Contentstrukturierung, führt über die Produktentwicklung und endet bei der Vermarktung digitaler Fachinformationsprodukte.
Im Gespräch berichten Vertreter:innen von Fachverlagen über ihre Erfahrungen, moderiert von Ehrhardt Heinold. Präsentiert wird die kostenlose Webinarreihe von den Digitalisierungsdienstleistern Doctronic und Xpublisher.
Was war der Anlass für diese Reihe?
Ehrhardt Heinold: Bei den Digitalangeboten von vielen Fachverlagen, aber vor allem auch im Austausch mit Dienstleistern, ist immer mehr bewusst geworden, wie stark die Printdenke noch in den Köpfen von Geschäftsführern, aber auch Produktmanagern steckt. Oder andersherum: Wie wenig die Potentiale von strukturiert aufbereiteten Inhalten gesehen und genutzt werden und wie wenig wirklich neue Produktformen kreiert werden. Aber nur auf Basis von intelligenten Inhalten ist ein Verlag in der Lage, die Produktionsprozesse weiter zu automatisieren oder ganz neue Produktformen wie personalisierte Informationsservices umsetzen zu können. Um hier Anregungen und Unterstützung anzubieten, haben wir diese Reihe konzipiert.
Carsten Oberscheid: Unsere Kunden sind überwiegende kleinere und mittelständische Verlage, die in der digitalen Transformation ihrer Produkte und Prozesse sehr unterschiedlich weit fortgeschritten sind. In der Beratung stelle ich immer wieder fest, dass die Leuchtturmprojekte, die bei den einschlägigen Branchenveranstaltungen gerne präsentiert werden, von solchen Verlagen oft als Utopien wahrgenommen werden, mit denen sie sich nicht identifizieren können. Das ist meist keine Frage des (Nicht-)Wollens – die Spreizung der Verlagsbranche ist so groß, dass die einen mit dem Vorbild der anderen manchmal schlicht nichts anfangen können. Hier sehe ich einen großen Bedarf für Beispiele und Anregungen, die erreichbar sind. Mit diesem Mindset die Entwicklung digitaler Verlagsprodukte in ganzer Breite zu betrachten ist die Idee hinter dieser Reihe.
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Matthias Kraus: Aus der Erfahrung mit unseren Kunden wissen wir, dass es viel Zeit und Geld kostet, Inhalte mit herkömmlichen Textverarbeitungsprogrammen für unterschiedliche Kanäle aufzubereiten und diese aufwändig in einzelne Kanäle auszuspielen. Doch ist gerade das crossmediale Publizieren eine der größten Herausforderung für Verlage in Zeiten der Digitalisierung. Viele Verlage wissen aber gar nicht erst wo sie am besten ansetzen und haben Angst vor der Umsetzung. Mit der Webinarreihe möchten wir eine Anleitung an die Hand geben und anhand realer Praxisbeispiele die Vorteile von strukturierter Contentaufbereitung und crossmedialem Publishing zeigen, um Fachverlagen den Paradigmenwechsel weg vom „sichtbaren Zielkanal“ hin zum „neutralen Contentbaustein“ zu erleichtern.
Carsten Oberscheid
Carsten Oberscheid begleitet als Mitgründer und Geschäftsführer des Technologiedienstleisters Doctronic seit über 20 Jahren Fachverlage aller Größenordnungen bei der Entwicklung und Umsetzung ihrer digitalen Produkte und Geschäftsmodelle. Seine Beratungsthemen umfassen die Konzeption digitaler Verlagsprodukte, B2B-Vertriebsmodelle und –Zugriffssteuerung sowie die Optimierung von Vertriebs- und Produktionsprozessen.
Wie können Fachinformationen intelligent strukturiert und angereichert werden?
Matthias Kraus: In Verlagen existieren oft unzählige digitale Assets in nicht vernetzten Datensilos. Ineffizienzen in der Bearbeitung, Verwaltung und Verwendung sind die Folge. Mit einem gut aufgesetzten Digital Asset Management hingegen gelingt es, die Kontrolle über seine Assets wiederzugewinnen und die Qualität des Datenbestandes zu erhöhen. Dadurch steigern Verlage gezielt Ihre Inhaltsverwendung. Zum Thema Metadaten haben wir in unserem ersten Webinar Sven Krantz-Knutzen zu Gast, der spannende Einblicke gewährt, wie Wolters Kluwer seine Inhalte mit Metadaten anreichert.
Darüber hinaus sind wir davon überzeugt, dass jeder Inhalt von einer durchgängigen Strukturierung profitiert. Die Strukturierung muss aber bestenfalls bereits bei der Erstellung der Fachinformationen erfolgen. Eine intelligente Möglichkeit bietet XML, oder Extensible Markup Language. Mithilfe eines Regelwerks (XSD oder DTD) wird der strukturiert erstellte Content dann validiert und unternehmensweit harmonisiert. Eine Umstellung auf strukturierte Inhalte auf XML Basis muss aber nicht von heute auf morgen geschehen. Viele unserer Kunden führen z.B. Xpublisher als Publishing System ein und nutzen anfangs weiterhin ihre gewohnten Microsoft Word-Dokumente, die von Xpublisher automatisch im Hintergrund strukturiert werden, ehe sie schrittweise auf XML umstellen.
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Carsten Oberscheid: Wenn man den Begriff „Intelligenz“ wörtlich versteht, landet man zwingend beim Menschen. Und da liegt das Dilemma der Fachverlage. Einerseits haben sie mit ihren Autor:innen, ihren Redakteur:innen und Lektor:innen die Fachkompetenz, die notwendig ist, um Fachinformationen intelligent = kompetent anzureichern. Andererseits haben die allermeisten Verlage enorme Schwierigkeiten, sich eine Umsetzung auch nur vorzustellen. Die Frage nach geeigneten Werkzeugen greift dabei zu kurz. Auch über Prozessveränderungen kann man erst zielführend sprechen, wenn alle beteiligten Menschen ein Verständnis dafür entwickelt haben, welche Bedeutung „Struktur“ und „Metadaten“ für die Zukunft ihrer Produkte haben. Ich halte dies für das wichtigste Beratungs- und Entwicklungsthema derzeit.
Für die Umsetzung gibt es meiner Meinung nach keinen Königsweg. Verlage produzieren sehr unterschiedlich, da wird auch in Zukunft jeder seinen eigenen Weg finden. Unsere Aufgabe als Technologiepartner ist es, diese Vielfalt zu verstehen und zur unterstützen.
Matthias Kraus
Matthias Kraus ist Gründer und Geschäftsführer der Xpublisher GmbH. Seit 2001 berät er zahlreiche führende internationale Unternehmen und Organisationen aus Luft- und Raumfahrt, Technologie, Bildung, Verlagswesen, Öffentliche Verwaltung und vielen weiteren Branchen im Bereich des Multi-Channel Publishing und begleitet sie auf dem Weg in die Digitalisierung.
Was versteht man unter strukturkonformen Inhalten?
Carsten Oberscheid: Das sind Inhalte, deren Struktur einer Vorschrift entsprechen, die man sich für diese Art von Inhalten oder auf für dieses eine Produkt gegeben hat. Man kann diese Strukturvorschrift als einen Vertrag verstehen, den die Produzenten und die Verwerter von Inhalten abschließen. Die Produzenten verpflichten sich, Inhalte gemäß dieser Struktur zu liefern, und die Verwerter sagen unter dieser Bedingung bestimmte Leistungen zu (z.B. automatisierter Satz zum Preis X, eine Suchfunktion mit besonderen Auswertungen o.ä.).
In der Praxis wird das oft als eine rein technische Sache mißverstanden, die in der Datenproduktion angesiedelt ist. Tatsächlich ist die größte Herausforderung aber in der Regel, die Autor:innen dazu zu bewegen, ihre Kreativität auf ein vorgegebenes Strukturmodell zu beschränken.
Matthias Kraus: Im Gegensatz zu rein visuell strukturierten Texten verstehen wir unter strukturierten Inhalten semantische, granulare Informationseinheiten. Der Text wird bereits während des Schreibens semantisch im Hintergrund ausgezeichnet, maschinenlesbar und damit bereit für die automatisierte Weiterverarbeitung. So kann der Inhalt ohne großen Aufwand auf jeden beliebigen Kanal ausgespielt werden.
Das klingt für Autor:innen erst einmal wenig kreativ. Das eine schließt das andere aber nicht aus. Wir wollen Autor:innen dabei unterstützen, sich ganz auf Ihren Inhalt zu konzentrieren. Die Strukturierung läuft sozusagen automatisch im Hintergrund ab.
Welche Vorteile bieten strukturierte Inhalte?
Ehrhardt Heinold: Sehr vereinfacht bieten sich zwei Vorteile: Zum einen können strukturierte Inhalte besser gemanagt werden. Durch Automatisierungen spart ein Verlag nicht nur manuelle Aufwände, sondern er kann Prozesse beschleunigen und zudem eine bessere Qualitätssicherung leisten. Zum anderen werden, wie eben schon beschrieben, ganz neue Produktformen möglich. Insgesamt sorgt eine solche flexible Content-Infrastruktur dafür, dass Verlage für eine Zukunft gerüstet sind, die Medienprodukten immer neue Anforderungen stellen wird.
Matthias Kraus: Eine regelbasierte Strukturierung schafft die Grundlage für eine automatisierte Weiterverarbeitung. Mit dem richtigen Multichannel-Publishing-System ergeben sich diverse Vorteile. Verlage können ganz einfach nach dem „Content Frist“ anstatt „Print First“-Prinzip arbeiten und Inhalte unabhängig vom Publikationskanal produzieren. Und eben nicht nur Printmedien herstellen, sondern auch digitale Kanäle wie Webseiten, Apps oder Social Media bespielen. So nutzen Verlage die Möglichkeit, genau den Kanal zu bedienen, der am besten zu ihren Inhalten passt. Zudem bietet sich die Möglichkeit ganz neue Kanäle und Zielgruppen zu erschließen und individuelle, neue Produkte zu erstellen. Der Fokus liegt für Medienschaffende nicht mehr auf manuellen Abläufen, sondern auf der Erstellung wertvollen Contents.
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Carsten Oberscheid: Strukturierte Inhalte sind Voraussetzung für Automatisierung und für Funktionalität. Von der Automatisierung profitieren nicht nur digitale Produkte – Satzautomatisierung kann angesichts rückläufiger Printerlöse eine lebensverlängernde Maßnahme sein. Eine Multichannel-Nutzung von Inhalten ist anders gar nicht wirtschaftlich zu machen. Bei Digitalprodukten sind Strukturinformationen Grundlage für Funktionen z.B. zur Navigation in den Inhalten, für eine „intelligente“ Suche – nahezu alle Mehrwertfunktionen einer digitalen Fachpublikation basieren auf Strukturinformationen und anderen Metadaten.
Ehrhardt F. Heinold
Studium der Geschichte, Soziologie und Germanistik in Hamburg. Nach mehrjähriger, freiberuflicher Tätigkeit als Redakteur, Journalist, Seminarleiter und Berater seit 1995 geschäftsführender Gesellschafter der Heinold, Spiller & Partner Unternehmensberatung mit Sitz in Hamburg. Beratungsschwerpunkt ist der Verlags- und Medienbereich. Beratungsprojekte vor allem in Fach-, Special Interest- und Kinderbuchverlagen zu allen verlegerischen Fragestellungen in den Bereichen Unternehmensstrategie, Marktanalyse, Positionierung, Markenentwicklung, Programmstrategie, Portfolio-Management und Digitalisierung.
Was ist der Unterschied zwischen content- und toolbasierten Produkten?
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Carsten Oberscheid: Das kann man meiner Meinung nach gar nicht scharf abgrenzen. Ganz grob haben wir auf der einen Seite digitale Äquivalente zu Fachbüchern, Zeitschriften, Loseblattwerken, vulgo „digitale Publikationen“, die man zur Erledigung seiner Aufgaben zu Rate zieht. Auf der anderen Seite haben wir Software-Werkzeuge oder -Assistenten, die bei der Erledigung dieser Aufgaben aktiv unterstützen. Das können Werkzeuge zur Planung sein oder zur Berechnung von irgendwas, aber auch Assistenten zur Dokumenterzeugung. Der Fantasie sind da keine Grenzen gesetzt, der Realisierung dann schon eher, z.B. durch die strikte Positionierung vieler Verlage: „Wir sind aber kein Softwareanbieter“. In unseren Projekten sehen wir auch bei den Tool-Produkten immer einen Bezug zur Fachinformation. Da ist der Gehaltsrechner, der auf den Tariftabellen basiert, die der Verlag in seinen Fachinformationen veröffentlicht. Da ist der Dokumentgenerator, dessen Textbausteine und Erzeugungsregeln von einer Fachredaktion gepflegt werden auf der Grundlage von Informationen aus „herkömmlichen“ Verlagsprodukten. Diese Fortsetzung der Fachinformation mit anderen Mitteln halte ich für zukunftsweisend.
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Matthias Kraus: Als Technologiepartner ist es unsere Aufgabe Verlage darin zu unterstützen durch Multichannel-Publishing ihre Inhalte so effizient wie möglich zu publizieren. Mit dieser Grundlage haben Verlage die Möglichkeit aber auch ganz neue Produkte zu kreieren, die weit über contentbasierte Produkte hinausgehen. Verlage holen sich das Knowhow so ins Unternehmen ohne selbst zu Softwareanbietern werden zu müssen.
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Produktion ist das eine - aber wie funktioniert die Vermarktung digitaler Fachinformationen heutzutage?
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Ehrhardt Heinold: An die Vermarktung werden ganz neue Anforderungen gestellt. Denn digitale Fachmedien sind ideal für die Umsetzung von Subskriptionsmodellen. Die Kunden erwarten hier zum einen, dass technisch und vom Service her alles funktioniert, und zwar von der Bestellung über die Bezahlung und das Login bis hin zur konkreten Nutzung. Zum anderen müssen Verlage den Nutzern eine permanent gute User Experience bieten, damit diese das Angebot im Berufsalltag nutzen und nicht kündigen. Das Pflegen einer permanenten Kundenbeziehung ist eine zentrale Voraussetzung für die erfolgreiche Vermarktung. Vielen Fachverlagen fehlt es hier noch an Know-how, aber auch an einer Serviceinfrastruktur.
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Carsten Oberscheid: Der Vertrieb digitaler Produkte ist in vielen Verlagen derzeit in einer Übergangsphase. Nicht bei allen, die Spreizung der Branche ist hier vielleicht noch deutlicher als in anderen Bereichen. Häufig laufen digitale Publikationen im Vertrieb zunächst nebenher mit, oft werden sie zunächst gar nicht eigenständig vermarktet oder man klammert sich an die von Druckwerken gewohnten Geschäfts- und Vertriebsmodelle. Wenn das nicht mehr adäquat ist, stellen sich viele Herausforderungen. Ein paar Stichworte quer durch den Garten: Fortsetzungsbezug vs. Abonnement, Mehrbenutzer- und Unternehmenslizenzen, Buchpreisbindung, Bundle-Angebote, Einzelverkauf von Kapiteln/Beiträgen – all dies und vieles mehr will geklärt und gestaltet werden.
Ein ganz wichtiges Thema ist die Erneuerung der Vertriebsprozesse und ihre Automatisierung. Analog zur Produktion, die auf möglichst effiziente Weise Inhalte in digitale Produkte einspeisen soll, steht der Vertrieb vor der Aufgabe, Lizenzverkäufe schnell und aufwandsarm in Zugriffsberechtigungen für Onlineprodukte, Apps etc. umzuwandeln. Dafür braucht es neue Abläufe, neue Werkzeuge und neue Schnittstellen.
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Matthias Kraus: Die Vermarktung digitaler Produkte, ob Fachinformationen oder auch Belletristik, hat noch lange nicht ihr Potenzial erreicht. Oft sind digitale Angebote noch das Nebenprodukt der Printproduktion und werden nicht als eigenständige Produkte verstanden. Diese können und dürfen aber ganz anders vermarktet werden. Entsteht im Verlag ein ganz neues digitales Produkt kann damit eine andere Zielgruppe erreicht werden die wiederum auch ein anderes Vermarktungsmodell bedarf. Verlage haben hier die Chance die Kunden neu- und wiederzugewinnen.